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Lieber
Europäer Es ist tatsächlich Winter hier, und was für einer: praktisch taeglich Sonne und mittags wird's einem fast zu heiss. Nur abends werfe ich mal ab und zu die Heizung an, heute abend aber beispielsweise nicht, da es so mild ist (immerhin um 22 Uhr). Am 1. September werden wir hier den Frühlingsbeginn feiern, etwas komisch nicht? Aber ich habe mich nun auch daran gewöhnt. Und schon scheint es mir nicht mehr so absurd zu sein, im Sommer das Weihnachtsfest zu planen. Wir
werden am 14. Dezember übrigens ein Xmas Fest feiern. In einem tollen Hotel in
den Bergen. Dank Klimaanlage können wir sogar in Galakleidung dort eintreffen
(kurze Hosen sind an dieser Xmas Party ausnahmsweise verboten - man stelle sich
dies mal vor: der Samichlaus spaziert in Bermudas durch Bern, das würde gleich
die Psychiatrie auf Trab bringen, oder?). Na,
und dann wenn ihr wieder sehnsüchtig den Frühling erwarten werdet, dann freuen
wir uns auf die langsam kühler werdenden Herbsttage. Und schliesslich werde ich
den Winteranfang hier nur kurz erleben, um den Sommer in der alten Heimat wieder
geniessen zu können. Alles
andere ist hier aber oft auch verkehrt. Ich staune auch im Auto immer wieder, wo
die all die Hebelchen und Knöpfchen versteckt haben. Jedenfalls nie dort, wo es
bei europäischen Autos zu erwarten wäre. Für Linkshänder wird das dann zum
Kinderspiel, für andere ein echter aber auch interessanter Lernprozess. Meine
linke Hand ist schon ganz virtuos, bald wird sie so elegant Schalterchen
feintunen können wie ich dies bisher nur meiner rechten zugemutet hätte. Oder
da wäre da das Klimatisieren: ab 35°C aufwärts schiene uns das langsame
Klimatisieren sinnvoll zu werden. Aber hier: hier laufen Klimaanlagen sogar im
Winter. Im Auto, im Bus, im Büro-, allüberall. Einfach so. Weil Energie günstig
ist und weil die Klimaanlage ja da ist. Dann läuft sie eben. Mal kühlt, mal
heizt es. So wechsle ich von T-Shirt in den Wintermantel, schlüpfe im Büro- in
warme Schuhe um dann den Schal wegen Überhitzung abzulegen und Mantel um Jäckchen
um Pullover nach und nach in Griffnähe wieder abzulagern. Kein
Wunder, wenn dann rundherum die Leute schnupfen, niesen und erkältet sind.
Nicht weil es draussen Unwetter herrscht, nein, einfach weil man sich das
Unwetter ins Büro- zaubert. Und allergisch sind alle, das ist hier einfach so.
Allergene werden allüberall vermutet. Aber immer bessere Medikamente verhindern
das logische Beheben der furchtbaren Belüftungen mit den Pilzsporen-Zerstäubern,
denn die Luft, wenn nach dem kühlen mal so richtig getrocknet, muss natürlich
künstlich wieder befeuchtet werden. Sogar unser Prime Minister hat jetzt eine
entzündete rote Nase, offenbar das leuchtende Beispiel australischer Eigenheit.
Nun, denn, so leiden wenigstens auch wir unter dem Winter und hier kommen sich
die australische und europäische Kultur und Tradition endlich wieder ganz nahe. Mit
einem - hatschi! Sorry! - lieben Gruss aus dem winterlichen Süden
Rolf |
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