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Sydney Downtown per Auto... 17.08.01

Liebe Freunde , es gibt hier etwas, das steht in keinem Reiseführer und da äussern sich auch die Einheimischen lieber nicht dazu. Das ist der Verkehr und die Verkehrsführung in und um Sydney. Das Ganze glattweg Chaos zu nennen ist meiner Meinung nach eine noch sehr höfliche Bezeichnung für etwas, das eher ein Amalgam von Spaghetti darstellt, die hoffnungslos verkocht und dazu noch angebraten ist, wobei die Spaghettis die Strassen sind in dieser bildlichen Darstellungsweise.  

Dass ich jetzt vor dem PC sitze und schreibe und nicht irgendwo in einer Sackgasse am Wenden bin, grenzt bestimmt an ein Wunder. Und an die glaube ich seit ich Harry Potter lese und seit ich Sydney mit einem unverbeulten Auto, zwar genervt, aber heil schon zum 4. oder 5. Mal verlassen habe.

Also: schon im Überland fängt das Unheil an. Da fährt man, wie es einen auf der ganzen Welt die Schilder weisen, brav in der linksten Spur der mehrspurigen Autobahn und ist plötzlich unverhofft bei einer Tankstelle oder auf dem Pannenstreifen, weil eine solche Spur, ohne es anzukündigen, abrupt ein Ende nehmen kann. Natürlich gibt es Tricks, diese Eigenart der Strasse frühzeitig zu erkennen. Auch das grenzt an Hellseherei. Und da selbst die Australier hier meistens zur Klasse der minderbemittelten Hellseher gehören, fahren sie lieber in der mittleren Spur. Auch das hat seinen Zweck, denn auch die rechte Spur kann unverhofft enden oder zu einer unausweichlichen Abbiegespur ausarten.

Nun denn, so denkt der Strassen-Laie, das wird ja halb so schlimm sein. Einmal verfahren, kann man ja die nächste Wendegelegenheit wahrnehmen, um wieder die richtige Fahrbahn zu erreichen. Ja denkste. Diese Wendemöglichkeiten gibt es gerade bei so trickreichen Strassenführungen eben nicht. 

Die nächste Kreuzung, wenn sie  wirklich mal kommt, ist meist so geführt, dass man nur immer in eine Richtung, nämlich in die gefahrene, weiterfahren kann. Und so kommt es, dass selbst Einheimische über doppelte Sicherheitslinien Wendekunststücke vollbringen, die bei uns normalerweise nur in Zirkusnummern zu  sehen sind. Und solche beherrsche ich auch schon einige.  

So heute: nach etlichen Irrfahrten kurzerhand das Auto über einen 40cm Randstein hochhieven, das Trottoir und den Rasen überqueren, wenden um einen Baumstrunk herum, dann quer in die Fahrbahn hineinfahren und hoffen, dass die einen halten und die anderen so einspuren, dass man bequem wieder in die richtige Fahrrichtung einbiegen kann.

Bei uns würde gehupt, dass man ganz klein in den Fahrersitz verschwinden wollte und sogar täte. Hier ist das jedoch Alltag und jeder kennt das Problem. Also kein Hupen. Und die Polizei ist wenig daran interessiert, die haben die Hände mit Geschwindigkeitskontrollen voll zu tun. Dafür sind sie da unerbittlich. So fahren die Durchschnittsaustralier lieber 10 km zu langsam als wie ich deren zuviel. Kurz und gut: verbotene Wendemanöver sind schlicht eine Frage des Überlebens.

Aber retour zu Sydney. Dort kommt zu allem Überdruss nun neben der extrem (X-trem, der echte Australier radikuerzt alles) schwierigen Strassenführung nun noch eine beinahe als bösartig zu bezeichnende Beschriftung der Richtungen und Ortsangaben hinzu. 

Das sieht etwa in folgendem Beispiel aus: 6-spurige Strasse (z.B. die Anzac-Parade) --> 
 Ich fahre wie alle gemütlich Richtung Centre,
möchte dann aber die Ausfahrt auf die M4 (Motorway 4 für die Blue Mountains) nicht verpassen. Ich weiss sogar, dass ich da die grosse Clevelandroad Richtung Redfern erwischen muss. Man fährt, spurt ein und um, überholt stehende Autos usw. und plötzlich ist da eine Kreuzung sichtbar aber keine Schilder. Aufs Geratewohl fährt man nun auf die Kreuzung zu, hält links, da es vermutlich links weggehen sollte. Und unverhofft biegt da nochmals eine neue weitere Spur noch linker ab und darüber nun das Schild mit den längst ersehnten Angaben. Und während die ganz linken warten, hat die eigene Spur natürlich grün und kein Flehen hilft mehr, man fährt über die Kreuzung hinweg ins Nirwana, wo man noch gar nicht hinwollte. Und dann wie zurück finden? 

Jaha, das ist dann schon die hohe Schule des jahrelangen erfahrenen Sydney-Strassensurfers. Wir Landeier erleben dann einfach schon wieder eine ungewollte Stadtrundfahrt mit allen Sehenswürdigkeiten wie Darling Harbour, Pyrmont, Millers Point, Botanical Garden, Woolloomooloo und so fort. Die erlebt man immer wieder, denn die sind die einzigen Dinge, die so markiert sind, dass man sie immer wieder findet.

Auch das hübsche Buch (Sean and Davis Long Drive), ein australisches Reisebuch, von australischen Strassenrowdies geschrieben, beschreibt die Einfahrt in Sydney ganz pikant. Die wollen über die äusserst attraktive Sydney Harbour Bridge fahren und schaffen das natürlich nicht. Statt dessen landen sie einfach immer im Tunnel, der unten durch führt und so natürlich keinen Blick auf das Operahouse gewährt.

Lobenswert ist aber, dass Sydney und Umgebung kartographisch bestens in einem 715-seitigen Buch (ja, so dick ist das Werk und erst noch A4-Format) erfasst ist. Diesen Schunken führt jeder mit sich, der per Auto in die City fährt. Der Pannenstreifen ist im Prinzip hier die Lehrbank des autodidaktischen Kartenleseschülers. Und die Gratiskurse auf dem Pannenstreifen werden sehr viel besucht. Auch ich nehme da mindestens einmal pro Woche teil und kann inzwischen irgendeine Strasse innert 2 Minuten orten und weiss, wie man sie theoretisch erreichen könnte, wenn, ja wenn eben die australische Strassenführung eine schweizerische wäre. 

Die Faustregel hier: eine Strasse in 2 Minuten kartographisch geortet sollte praktisch danach in maximal 2 Stunden erreicht sein. Für 3 Minuten muss dann aber schon 3 Stunden veranschlagt werden und so fort. Die ganz Gescheiten orten Strassen schon in 10 Sekunden...

Nun, das zu meinen Fahrerlebnissen. Geniesst die Strassen zu Hause, ich sag's euch!

Hup hup von downunder                        kreisch und quietsch          Rolf

 


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