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Erste Signale von Downunder... 11.07.2001

Das Leben in der Schweiz geht auch ohne mich weiter, vor allem mit dem angenehm warmen Sommer. Den mag ich euch herzhaft gönnen. Das Leben bzw. mein Leben in Australien ist denn im Moment kaum so verschieden vom schweizerischen, nur dass hier halt die Tier- und Pflanzenwelt kurioser und auffälliger daherkommt. Mit den Kängurus habe ich meinen allernächsten und erstaunlich freundlichen Kontakt aufbauen können. Zwar leben sie nicht gerade im eigenen Garten, aber da ich in den Blue Mountains und damit nahe einem der bekanntesten National Parks in New South Wales wohne, ist es zu den Kängurus, dem lachenden Hans und anderen Kookaburras und Dingos nur wenige Kilometer weit.

Das tönt nun wieder nach Distanz und ist es für unsere Vorstellungskraft auch. In Australien gelten aber Distanzen unter 100 km als nachbarschaftlich. So wohne ich also rund 40 km vom Arbeitsort entfernt, das ist mindestens 30 Minuten Fahrzeit. Ich bin damit aber einer der am nächsten wohnenden Mitarbeiter in Yarrandoo. Andere wohnen in Sydney Downtown und legen so an die 70 km pro Weg zurück.

Ich bin also in Australien heil angekommen, musste, da ich ja als Tierarzt in der Schweiz gearbeitet hatte (meine Stiefel im Handgepäck waren da ein untrüglicher Hinweis), mich am Zoll während einer Stunde eindringlichen Fragen und Desinfektionsmassnahmen hingeben. Die Australier haben da eine Heidenangst vor Maul- und Klauenseuche. Diese Krankheit hat hier bei den Behörden so etwas wie die Aufmerksamkeit der mittelalterlichen Pestzüge erhalten. Der dreckige alte Kontinent, vermutlich eine Retourkutsche an die Arroganz der Engländer, als diese den kleinen südlichen Kontinent zum  menschlichen "Abfalleimer" deklarierten.

Cowboys gibt es hier massenhaft, zum Teil sehen sie rüde und knorrig aus, sprechen oder besser nuscheln halbfertige sogenannt englische Sätze unter dem Schlapphut hervor. Aber Texaner sind es nicht, nicht diese "harten", gefühllosen Männer. Ich bin immer wieder überrascht, wie feinfühlig diese Menschen sind. Die Frauen ebenso. Die älteren australischen Frauen gleichen braven englischen Landdamen, konservative Haartracht zur Zeit der toughen Victoria. Die jüngeren (so bis 40) sind hingegen recht emanzipiert und haben nicht selten wenig Probleme mit Computeranwendungen.

So bin ich also eingebettet in den kleinen Forschungsbetrieb von KempsCreek oder Yarrandoo, das aboriginale Wort für "Kreuz des Südens". In meiner Parasitologie-Abteilung erforschen wir zur Zeit 4 verschiedene Vakzinen gegen Parasitosen am Rind und am Schaf. Diese Studien werde ich in diesem Jahr mit Hilfe der MitarbeiterInnen (12 Parasitologen und Laboranten) und 3 Universitätsinstituten (Melbourne, Sydney, Tasmanien) zu entwickeln versuchen. Eine weitere wichtige Aufgabe wird das weiterführen eines "Screenprogramms" von Meeres-Aktivsubstanzen sein. Vom Meer erhoffen wir uns neue Aktivsubstanzen gegen verschiedene Krankheiten bei Tier, Pflanzen und Mensch.  In diesem letzteren Projekt spielen wir die Rolle einer relativ wichtigen Drehscheibe in einem weltweiten millionenschweren Forschungsprogramm, das seit etwa 1994 am laufen ist.

Und damit ich den Kontakt zu Tier und Umwelt auf der praktischen Seite auch behalte, bin ich täglich gefordert als praktischer Tierarzt wenn es lahme Schafe, Durchfallrinder, verletzte Katzen oder kotzende Hunde zu verarzten gilt. Ebenso ist die tägliche Kurzbesprechung mit der "Animal Ethic Commission" eine schon fast liebe Gewohnheit geworden. Was übrigens Tierschutz anbetrifft, so ist man hier englisch im besten Sinne: Katz und Hund sind besser ver- und umsorgt als so manches Kind. Und einschläfern tut man ältere Tiere nicht, schliesslich gilt auch für sie das Recht auf den natürlichen Tod. Hingegen sind Schafe und Rinder bekanntlich Schlachtware, und was dem Fleisch nicht schadet, ist auch für's Tier gut. Da gibt es denn auf bäuerlichen Betrieben Zustände, die würden wir in der Schweiz keinen Augenblick mehr dulden.

Zurück zum australischen Kontinent und einen Blick in Richtung Sydney: 
Sydney, diese traumhaft
fröhliche Stadt, die überall ihre Finger ins Wasser streckt, der Sonne entgegen. Hier scheinen Surfer den Beruf des Bankers nur gewählt zu haben, um raschmöglichst bei den "In-Beaches" jederzeit ins Meer stechen zu können. Soll denn einer wie ich um 16h05 (bzw 4:05 p.m.) kommen und noch eine Bankauskunft wollen. Mit etwas Glück trifft man höchstens noch die gute Seele einer Putzfrau an, die gestenreich auf das Türschild weist, wo für jeden Idioten (ausser einem sprachlosen und innerlich kochenden Schweizer) klar sichtbar die relativ kundenfremden Öffnungszeiten markiert sind. 

Alleinstehende Arbeitende haben offenbar auf einer Bank nichts verloren. Da trifft man dann wohl nur RentnerInnen und werdende/seiende Mütter als Kunden an. Für Finanzfragen und -Probleme muss ich wohl oder besser einem Surfklub beitreten, dann kann ich meinen Berater über die nächste Klippe hinweg zur Sache ausquetschen, wenn ihn nicht gerade die nächste Welle weggespült hat... 

Damit wären wir beim Punkt "Dienst am Kunden". Dieser Fachausdruck ist in Downunder eher unbekannt. Sogar beim Steueramt, wo ich doch kaum grosses Interesse an einer Steuerregisternummer haben kann, erhielt ich diese Nummer denn auch nur unter Anwendung sämtlicher "Charme-Register". Nach 5-minütigem netten Vorschwärmen von all den tollen Erlebnissen hier in Australien und den bezaubernden Schönheiten dieses Kontinents (sogar die Giftspinnen – die Redback und die Thunnel-Web - lobte ich in den allerhöchsten Tönen und beschrieb sie als "verkannte, feingliedrige dunkle Wesen mit halt etwas viel Gift im Stachel"), wandelte mich der Steuerbeamte vom lästigen Stürmi zum nicht unnützen Steuerzahler, dessen Adresse schliesslich dem Staate bald mal für ein paar Dollars von Nutzen wird sein können. Ich habe das Steueramt denn nach gut 1 Stunde beinahe dankbar und sogar etwas stolz mit meiner australischen Steuernummer verlassen.

Andere sollen dafür schon über Nacht vor dem Amt auf den Knien verharrt sein...

Zurückkommen will ich nur kurz auf meinen Kampf um einen Zugang ins Internet. Nach einer Woche Schwerarbeit glaube ich es geschafft zu haben. Mein schön konfiguriertes Notebook hat da nicht viel genützt. Klar war, dass ich sämtliche Stecker ersetzen musste, das war nach einer Einkaufstour rasch erledigt gewesen. Nicht gerechnet hatte ich aber mit den australischen Telefongesellschaften. Auch hier Auskünfte nur zwischen 8 und 3. Und wehe, mann kommt durch, vielleicht sogar bis zu einer wirklich menschlichen Stimme: mich hat nur überrascht, dass ich selber nicht durchgedreht habe. Aber hier läuft eben alles ruhiger, friedlicher. Man denkt und handelt in grösseren Massstäben. Und jetzt will die Labourparty ein "Highspeed- Telefonnetz" aufbauen, vermutlich via Handy. Na dann gute Nacht.

Und damit schliesse ich meine ersten lieben Grüsse aus dem kleinen Kontinent, der unten an der Erdkugel hängt und von dessen Existenz auch ich vor der Olympiade nur so eher vage Vermutungen hatte...

 Herzlichst                                            der Aussie-Boy  Rolf

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